Manuelle Therapie vs. Krankengymnastik: Was ist der Unterschied?
Wer beim Arzt über Schmerzen am Knie oder Rückenprobleme klagt, hält danach schnell eine Verordnung für Physiotherapie in der Hand – und das häufig ohne überhaupt zu wissen, wie einem damit geholfen werden soll.
Auf vielen dieser Verordnungen liest man die Kürzel „KG“ oder „MT“: Diese stehen für das jeweils verordnete „Heilmittel“, also die Therapieform.
Doch was bedeuten diese Abkürzungen nun überhaupt? Was ist der Unterschied zwischen Manueller Therapie und Krankengymnastik? Und wie können Physiotherapeut*innen dir dadurch helfen, dein Wohlbefinden wieder zu verbessern, alte Stärke zurückzugewinnen und vor allem wieder mehr Lebensqualität zu erlangen.
Wenn Physiotherapie plötzlich wichtig wird
Egal ob bei Verspannungen, Kopfschmerzen oder Sportverletzungen: Physiotherapie gewinnt für uns meist erst an Bedeutung, wenn unsere Schmerzen im Alltag zu groß werden – und dann wünschen wir uns schnellstmögliche Hilfe.
Auch wenn das Wort „Therapie“ vielleicht zuerst einmal eher schmerzhaft klingt, bewirkt Physiotherapie das genaue Gegenteil. Sie kann dir helfen, im Alltag weniger Schmerzen zu haben und diesen dadurch spürbar zu verbessern.
Im Gegensatz zu operativen Maßnahmen oder Medikamenten, fördert die Physiotherapie den natürlichen Heilungsprozess des Körpers und hilft diesen zu stärken. Im Rahmen des Therapieverlaufs werden wir herausgefordert, uns mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen und können u.a. durch selbst durchgeführte Übungen viel dazu lernen.
Damit du das Beste aus deiner Physiotherapie machen kannst, zahlt es sich aus, etwas mehr über die verschiedenen Therapieformen zu erfahren.
Manuelle Therapie und Krankengymnastik: Zwei Formen der Bewegungstherapie
Physiotherapie lässt sich in eine Vielzahl unterschiedlicher Therapieformen unterteilen, welche je nach Beschwerdebild angewendet werden können. Die zwei Hauptkategorien der Physiotherapie bilden die Bewegungstherapie und die Massagetherapie. Die am häufigsten verordneten Therapieformen, die Manuelle Therapie (MT) und die Krankengymnastik (KG), sind beides Therapieformen der Bewegungstherapie.
Doch worin bestehen dann eigentlich die Unterschiede? Und welche Therapieform kann dir schneller ans Ziel helfen?
Manuelle Therapie – die Geheimwaffe gegen viele Beschwerden
Bei der ersten Variante der Bewegungstherapie – der Manuellen Therapie (MT) – liegt der Schwerpunkt darin, dass der/die ausgebildete Physiotherapeut*in mögliche Funktionsstörungen – das bedeutet, Störungen der natürlichen Funktion deines Körpers – untersucht und anschließend behandelt.
Um die betroffenen Problemstellen zu analysieren und zu verbessern, wird nicht wie bei der klassischen Massagetherapie der Muskel selbst nur massiert. Das tut zwar kurzfristig gut, hilft jedoch in den wenigsten Fällen langfristig weniger Schmerzen zu haben. Bei der Manuellen Therapie werden daher verschiedene Handgriff- und Mobilisationstechniken angewandt, um gezielt Spannungspunkte zu lösen und Muskeln sowie Gelenke zu behandeln. Durch die Untersuchung der Gelenkmechanik und einer sanft angewandten Technik können deine eingeschränkten Gelenke so mobilisiert werden.
Ergänzend zu den manuellen Techniken empfehlen sich in vielen Fällen auch Trainingsübungen, die zur Stabilisation der betroffenen Körperteile dienen können.
Manuelle Therapie hilft nicht nur bei typischen orthopädischen Problemen wie bei Rückenschmerzen oder Verletzungen – sie ist auch die Geheimwaffe, wenn es um die Behandlung von Kiefergelenksbeschwerden (CMD) geht. Die Therapie von craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) stellt daher auch einen großen Anwendungsbereich der Manuellen Therapie dar.
Achtung: Nicht jede/r Physiotherapeut*in kann Manuelle Therapie
Was die Manuelle Therapie so besonders macht: Physiotherapeut*innen dürfen diese nur nach einer anspruchsvollen Zusatzausbildung praktizieren.
Diese Fortbildung ist nicht Teil der regulären Ausbildung bzw. des Studiums. Erst nach weiteren zwei bis vier Jahren und zusätzlichen Ausbildungskosten von 3000 bis 5000 €, dürfen sich Physiotherapeut*innen dann „Manualtherapeut*in“ nennen.
Aufgrund des hohen zeitlichen und finanziellen Aufwands, möchten sich einige schwarze Schafe die Mühe sparen: Diese Physiotherapiepraxen, bieten Therapieformen an, für die sie gar keine offiziellen Qualifikationen haben. Daher lohnt es sich, nach einer Praxis mit gut ausgebildeten Physiotherapeut*innen zu suchen.
Krankengymnastik – was du durch Bewegung alles erreichen kannst
Bei der Krankengymnastik geht es vor allem darum, unsere Bewegungsfähigkeit wieder vollständig herzustellen und auf lange Sicht zu verbessern. Trotz der Bezeichnung dieser Therapieform, steht hier nicht nur die Gymnastik im Vordergrund. Viel eher konzentrieren sich die Therapeut*innen auf verschiedene Kräftigungs- und Dehnübungen.
Egal ob die Schmerzen durch Verspannungen, Sportverletzungen oder doch durch operative Eingriffe: Die Krankengymnastik kann in vielen Fällen sehr wirksam sein, da sie dem Körper durch gezielte Kräftigung und Dehnung zu alter oder neuer Stärke verhilft.
Die Krankengymnastik kann dabei auf verschiedenen Ebenen helfen:
- Kräftigung: Unsere Muskulatur kann gestärkt werden.
- Beweglichkeit: Unsere Beweglichkeit kann gesteigert, oder Versteifung entgegengewirkt werden.
- Atemmuskulatur: Spezielle Atemübungen werden sogar gegen Atemwegserkrankungen angewandt. Auch Long Covid Patient*innen kann somit langfristig geholfen werden.
Ein zusätzliches „Plus“: Neben der Schmerzlinderung, regt Krankengymnastik auch die Durchblutung und den Stoffwechsel des betroffenen Gewebes an. So wird die Heilung und der Abtransport von Entzündungen gefördert.
Die Gemeinsamkeiten der beiden Therapieformen
Die erste und entscheidende Gemeinsamkeit der beiden Therapiearten ist, dass sie der Form der Bewegungstherapie angehören und somit einen großen Teil der Physiotherapie vereinen.
Zudem gleichen sich die Manuelle Therapie und die Krankengymnastik in der Anwendung von aktiven als auch passiven Übungen. Bei beiden Bewegungstherapieformen besteht die Möglichkeit, einen individuellen Trainingsplan für die Patient*innen zu erstellen, um dem Problem noch intensiver und langfristiger entgegenzuwirken.
MT vs. KG – was ist der Unterschied?
Aktivität und Passivität
Trotz passiver Übungen, liegt das Hauptaugenmerk der Krankengymnastik auf den aktiven Übungen, die du selbstständig durchführst, um die Bewegungsfunktion, das Entgegenwirken des Schmerzes und die Mobilisation zu optimieren.
Bei der manuellen Therapie hingegen liegt der Schwerpunkt auf den passiven Übungen. So kann der/die Therapeut*in anhand von Abtasten der betroffenen Stelle und manueller Einwirkung/Elemente deine Schmerzen und Einschränkungen lösen. Zudem liegt hier der Fokus noch eher auf der Behandlung von Dysfunktionen (Funktionsstörungen) einzelner eingeschränkter Strukturen.
Einsatzbereiche
Einen weiteren Unterschied stellen die Einsatzbereiche der beiden Therapieformen dar. Leidest du also zum Beispiel unter Gleichgewichtsproblemen, Bewegungseinschränkungen, einem Bandscheibenvorfall oder einer verkürzten Muskulatur, wird dir in den meisten Fällen die Krankengymnastik als Therapieform verschrieben.
Gelenk-, Muskel- und Rückenschmerzen, sowie Wirbelsäulenbeschwerden, rheumatische Erkrankungen und beispielsweise Gelenkarthrose werden in vielen Fällen eher mit Manueller Therapie behandelt.
Der Showdown: Manuelle Therapie oder Krankengymnastik – was ist besser?
Egal ob am Ende „KG“ oder „MT“ auf deiner Verordnung zur Physiotherapie steht: Beide Therapieformen können auf ihre eigene Art und Weise sehr hilfreich sein.
Welches Heilmittel dir dein Arzt letztendlich verschreibt, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Beschwerden du hast und wie dir individuell am besten geholfen werden kann.
Wir Menschen, unsere Beschwerden und unsere Heilungsprozesse sind und bleiben individuell. Daher ist es auch eine absolut individuelle Sache, ob uns im jeweiligen Fall aktive Übungen (KG) oder doch eher angewandte Mobilisationstechniken (MT) besser helfen können. Bei vielen Beschwerdebildern ist auch gerade eine Kombination oder Abfolge (erst MT dann KG) beider Behandlungsformen empfehlenswert.
Fest steht: Beide Arten der Bewegungstherapie sind in der Lage, uns dauerhaft sorgloser und schmerzfreier leben zu lassen.
Wir hoffen, du kannst nun etwas besser einordnen, was dich erwartet, wenn du das nächste Mal von deinem Arzt eine Überweisung zur Physiotherapie in der Hand hältst!